Mittwoch, 31. Juli 2013

Unwirkliches Island

Island! Das Land meiner Träume, endlich komme ich dazu, es mir mal in echt anzuschauen und nicht nur in Gedanken in den Lavafeldern herumzuschweifen. Und Lavafelder gibt es en masse. Der Weg vom Flughafen zur nördlichsten Hauptstadt der Welt führt durch eine wahrhaftige Mondlandschaft, mit nichts als Lavabrocken bis zum Horizont oder zumindest bis zum Meer. Erstaunlich warm war es als ich ankam, 19°C und Sonnenschein, dazu eine steife Brise. Völlig baum- und strauchlos ist die Landschaft – zumindest bis man sich der Stadt nähert. Reykjavik sieht ein wenig so aus, als hätte ein Riese mit eckigen Bausteinen gespielt und sie etwas wahllos in die Lavafelder geworfen. Zwischen ihnen wachsen tatsächlich Gras und Bäume und ein bisschen ist es so wie in jeder anderen Stadt auch, nur dass der Wind so heult, dass man sich nicht sicher ist, ob es die Bäume nur im Windschatten der Häuser überleben oder ob vielleicht die Häuser ohne die Bäume weggepustet würden.

Der Campingplatz hatte noch ein Eckchen für mein kleines Zelt frei und nach einem improvisierten Abendessen und einem Stadtspaziergang stattete ich der “Vulkanshow” einen Besuch ab, ein Filmeabend mit zusammengetragenem Material von Villi Knudsen, begeisterter Vulkanfilmer. Exakt drei Leute hatten Interesse (neben mir noch zwei Belgier), so dass wir a) innerhalb von 3 Minuten unsere Vornamen ausgetauscht, b) innerhalb von 15 Minuten den ersten Brennivin getrunken hatten, isländischen Branntwein, der scherzhaft schwarzer Tod genannt wird und c) 2 Stunden später die isländische Nationalhymne und ein paar weitere Gesangseinlagen von einem reichlich beschwipsten Villi Knudsen junior vorgetragen bekamen. Es folgten philosophische Ausführungen zum Sinn und Unsinn der Geologie im Allgemeinen und dem Weltuntergang im Speziellen,die damit endeten, dass Villi eine nicht brennende Zigarette rauchte, Jun im Sessel einschlief und wir schließlich gegen 1 Uhr morgens im noch und schon Halbhellen zum Zeltplatz zurückkehrten.



Das größte Problem an der Helligkeit war indes nicht, dass ich nicht schlafen konnte, weil es zu hell war, sondern dass ich nicht schlafen konnte, weil meine Zeltnachbarn nicht schlafen konnten. Stattdessen fiel gefühlt dem halben Zeltplatz mitten in der Nacht ein, man könne ja schonmal die Zelte abbauen, mit entsprechender Geräuschkulisse.

Reykjavik zeigte sich am nächsten Morgen etwas kühler, aber genauso herrlich. Herumzulaufen ist in etwa so, als würde man einen Spaziergang durch ein riesengroßes Gewerbegebiet machen. Die Häuser sind entweder modern und sehr eckig oder sehen so aus, als hätte der Zahn der Naturgewalten schon etwas länger an ihnen genagt. Alles ist irgendwie ziemlich auseinandergezogen mit sehr viel Platz, so dass es kein Wunder ist, dass fast alle nur im Auto unterwegs sind. Gott sei Dank rettet das heimelige gemütliche Stadtzentrum den Eindruck. Alles wird überragt von der Hallgrimskirkja, einer großen graune Kirche, an der sich dank ihrer speziellen Architektur die Geister scheiden. Schlicht, hell und meisterhaft gotisch aufwärtsstrebend – sie hat etwas sehr erhabenes und irgendwie auch sehr isländisches.




Etwas, das bei keinem Reykjavik-Besuch fehlen darf, ist ein Besuch der berühmten Blauen Lagune. Diese ist ein von Meerwasser und hydrothermalem Wasser gespeiste Lagune in der Nähe des Flughafens, inmitten von Lavafeldern und so unvergleichlich blau, dass es einem vorkommt, man würde in flüssigem Himmel schwimmen. So sitzt man vergnügt im 37-40°C heißen Wasser und lässt sich den kühlen Wind durch die Haare pusten, schmiert sich mit Schlamm ein, der so wunderbar gegen so ziemlich alles helfen soll, oder lässt sich einfach auf dem Salzwasser treiben, mit Blick in die sich langsam senkende Sonne. Hundemüde und überglücklich klettert man dann irgendwann wieder an die kalte Luft, mit völlig verschrumpelten Fingern und Haaren, die sich so wuschelig und verfilzt anfühlen wie mein neu erstandener Island-Wollpulli.
Ach, Island, ich bin ja jetzt schon völlig hingerissen – wie wird das wohl weitergehen?