Island! Das Land meiner Träume,
endlich komme ich dazu, es mir mal in echt anzuschauen und nicht nur
in Gedanken in den Lavafeldern herumzuschweifen. Und Lavafelder gibt
es en masse. Der Weg vom Flughafen zur nördlichsten Hauptstadt der
Welt führt durch eine wahrhaftige Mondlandschaft, mit nichts als
Lavabrocken bis zum Horizont oder zumindest bis zum Meer. Erstaunlich
warm war es als ich ankam, 19°C und Sonnenschein, dazu eine steife
Brise. Völlig baum- und strauchlos ist die Landschaft – zumindest
bis man sich der Stadt nähert. Reykjavik sieht ein wenig so aus, als
hätte ein Riese mit eckigen Bausteinen gespielt und sie etwas
wahllos in die Lavafelder geworfen. Zwischen ihnen wachsen
tatsächlich Gras und Bäume und ein bisschen ist es so wie in jeder
anderen Stadt auch, nur dass der Wind so heult, dass man sich nicht
sicher ist, ob es die Bäume nur im Windschatten der Häuser
überleben oder ob vielleicht die Häuser ohne die Bäume weggepustet
würden.
Der Campingplatz hatte noch ein Eckchen
für mein kleines Zelt frei und nach einem improvisierten Abendessen
und einem Stadtspaziergang stattete ich der “Vulkanshow” einen
Besuch ab, ein Filmeabend mit zusammengetragenem Material von Villi
Knudsen, begeisterter Vulkanfilmer. Exakt drei Leute hatten Interesse
(neben mir noch zwei Belgier), so dass wir a) innerhalb von 3 Minuten
unsere Vornamen ausgetauscht, b) innerhalb von 15 Minuten den ersten
Brennivin getrunken hatten, isländischen Branntwein, der scherzhaft
schwarzer Tod genannt wird und c) 2 Stunden später die isländische
Nationalhymne und ein paar weitere Gesangseinlagen von einem
reichlich beschwipsten Villi Knudsen junior vorgetragen bekamen. Es
folgten philosophische Ausführungen zum Sinn und Unsinn der Geologie
im Allgemeinen und dem Weltuntergang im Speziellen,die damit endeten,
dass Villi eine nicht brennende Zigarette rauchte, Jun im Sessel
einschlief und wir schließlich gegen 1 Uhr morgens im noch und schon
Halbhellen zum Zeltplatz zurückkehrten.
Das größte Problem an der Helligkeit
war indes nicht, dass ich nicht schlafen konnte, weil es zu hell war,
sondern dass ich nicht schlafen konnte, weil meine Zeltnachbarn nicht
schlafen konnten. Stattdessen fiel gefühlt dem halben Zeltplatz
mitten in der Nacht ein, man könne ja schonmal die Zelte abbauen,
mit entsprechender Geräuschkulisse.
Reykjavik zeigte sich am nächsten
Morgen etwas kühler, aber genauso herrlich. Herumzulaufen ist in
etwa so, als würde man einen Spaziergang durch ein riesengroßes
Gewerbegebiet machen. Die Häuser sind entweder modern und sehr eckig
oder sehen so aus, als hätte der Zahn der Naturgewalten schon etwas
länger an ihnen genagt. Alles ist irgendwie ziemlich
auseinandergezogen mit sehr viel Platz, so dass es kein Wunder ist,
dass fast alle nur im Auto unterwegs sind. Gott sei Dank rettet das
heimelige gemütliche Stadtzentrum den Eindruck. Alles wird überragt
von der Hallgrimskirkja, einer großen graune Kirche, an der sich
dank ihrer speziellen Architektur die Geister scheiden. Schlicht,
hell und meisterhaft gotisch aufwärtsstrebend – sie hat etwas sehr
erhabenes und irgendwie auch sehr isländisches.
Etwas, das bei keinem Reykjavik-Besuch
fehlen darf, ist ein Besuch der berühmten Blauen Lagune. Diese ist
ein von Meerwasser und hydrothermalem Wasser gespeiste Lagune in der
Nähe des Flughafens, inmitten von Lavafeldern und so unvergleichlich
blau, dass es einem vorkommt, man würde in flüssigem Himmel
schwimmen. So sitzt man vergnügt im 37-40°C heißen Wasser und
lässt sich den kühlen Wind durch die Haare pusten, schmiert sich
mit Schlamm ein, der so wunderbar gegen so ziemlich alles helfen
soll, oder lässt sich einfach auf dem Salzwasser treiben, mit Blick
in die sich langsam senkende Sonne. Hundemüde und überglücklich
klettert man dann irgendwann wieder an die kalte Luft, mit völlig
verschrumpelten Fingern und Haaren, die sich so wuschelig und
verfilzt anfühlen wie mein neu erstandener Island-Wollpulli.
Ach, Island, ich bin ja jetzt schon
völlig hingerissen – wie wird das wohl weitergehen?