Dienstag, 31. Juli 2012

Dorfgeschichten oder fliegendes Campieren

Samstag, 28.7.2012

Um an der reinen Autofahrzeit zu sparen und mehr Zeit zum Arbeiten zu haben, beschloss Nico, dass wir für einige Tage etwas tiefer ins Land fahren und in irgendwelchen Dörfern übernachten würden, wir also für zwei Nächte ein wie Joko es nennt „Flying Camp“ haben würden. Ohja, da hatte ich mich schon die ganze Zeit draufgefreut! Bisher waren solche Vorhaben erschwert worden, weil Nico lange auf eine Genehmigung warten musste, die sich der zuständige Mensch gut bezahlen ließ. Wie schafft man es eigentlich, Bestechungsgelder in solchen Ländern als erwartbare Ausgaben zu deklarieren um bei solchen Forschungssachen eine Chance auf Rückfinanzierung zu haben? Die Natur von Schwarzgeld verbietet ja bekanntlich die Ausstellung von Quittungen...

Mit sämtlichen Siebensachen gut verpackt im Kofferraum des Fourwheeldrives ging es also für Nico, Joko, Gimin und mich los in die Richtung des Flusses Sungai Mahi. Wiesen wurden immer seltener, die Straßen immer enger und löchriger, unasphaltiert waren sie sowieso, die Brücken immer abenteuerlicher – bis die erste Brücke nur noch motorradtauglich war. Das hinderte viele Mopedfahrer nicht daran, mit ihren mit dem Gewicht eines Kleinwagens beladenen Motorrollern und -rädern über die Brücke zu sauen, sie war bloß schlichtweg zu schmal für den Jeep. Gimin, todesmutig und verwegen grinsend wie immer, steuerte das locker über 20 Jahre alte Gefährt mit Schwung ins Bachbett um später über einen kleinen Weg auf der anderen Seite wieder hinauszufahren. Aber zuerst Sand waschen! Beäugt von den Bewohnern des nächsten Dorfs, an deren Waschstelle wir anscheinend saßen, drehten und kreiselten wir die Waschpfannen was das Zeug hält. Dann ging es weiter.

- hätte es zumindest sollen. Die nassen Räder des Jeeps verwandelten den im trockenen Zustand halbwegs griffigen Lehmboden in schlüpfrig glitschigen Schlamm. Gimin, völlig ungläubig, dass trotz Allrad die vorderen beiden Räder immer wieder durchdrehten, versuchte aber- und abermals den gleichen Weg hochzukommen - ohne Erfolg. Zunehmend erzürnt ließ er sie minutenlang durchdrehen, bis das gesamte Flussbett in dichten Auspuffqualm gehüllt war und Nico und ich langsam Panik schoben, dass das gesamte Auto gleich in Flammen aufgehen könnte. Keine Chance auf ein Herauskommen aus dem Fluss, anscheinend war der Allradantrieb kaputt, denn während die vorderen Räder durchdrehten, bewegten sich die hinteren keinen Millimeter. Auch den Weg, den es hinuntergekommen war, kam das arme Autolein nicht wieder hoch! Was tun? Hier war niemand, der uns hätte herausziehen können.Sollte die Karre als Metallschrott etwa hier verrotten und wir unser Gepäck zu Fuß zurück nach Banjarbaru tragen?

Es siegte Gimins gesunder Autoverstand: rückwärts, heißt die Zauberformel! Mit viel Anlauf, nochmehr fahrerischem Geschick, einem großen Sturkopf und blindem Vertrauen quälte Gimin den Jeep rückwärts den Weg hinauf, den wir eine halbe Stunde vorher so unbedarft hinuntergecruist waren. Eine anschließende Inspektion ergab, dass die Kraftübertragungseinheit des Allradantriebs lose unterm Auto hing und wir also die ganze Zeit ohne Allrad mit diesem dieselfressenden Spritschlucker unterwegs gewesen waren.
„Da bezahlt man horrende Summen für eine Schrottkarre, die älter ist als ich und dann funktioniert nicht mal der Allradantrieb und wir kommen nicht dahin, wo wir hinwollen! Was hätte man sparen können, wenn man das Geld in ein funktionierendes, weniger Spritmonster-artiges Auto gesteckt hätte!“, rechnete Nico haareraufend vor, während Gimin das lose Ding kurzerhand unterm Auto liegend ausbaute und Joko mit seiner Handykamera um uns herumsprang, völlig begeistert über das Motiv, wie wir beide Gimin beim Schrauben zugucken.

So schlimm war die kleine Panne dann doch nicht. Es waren genug diamantführende Flüsse übrig, in denen wir fleißig weiter Sand wuschen unter den Augen zahlloser völlig begeisterter Kinder, die sich stundenlang darüber freuen konnten wie weiß wir waren und was wir für komische Sachen machten. Diverse Male mussten wir uns mit Leuten fotografieren lassen, bis wir uns fast vorkamen wie ein Affe im Zoo und frotzelten, dass wir vielleicht Geld verlangen sollten. Wahrscheeinlich war es das Highlight des ganzen Monats für das Dorf, dass sich zwei Weiße hierher verirren. Nico erhandelte einen weiteren Diamanten von einer zahnlosen Dame, während wir anderen und das halbe Dorf im Schneidersitz drumherum saßen und wild hin und her diskutiert und erzählt wurde. Eine einfache Frage von Nico, seitens Joko brav übersetzt, mündete häufig in einem Gesprächsschwall, der erst 10 Minuten später mit einer zur Frage völlig unpassenden Antwort endete.

Anschließend fragte sich Joko quer durch das halbe Dorf, bis sich jemand erbarmte und uns sein Wohnzimmer zum Übernachten anbot. Eine ziemlich urige Holzhütte, leicht erhöht auf Stelzen, wie es auf Kalimantan typisch ist. Prachtstück des Wohnzimmers war ein Fernseher und zwei kleine schäbige Sofas, ansonsten sind die Dorfhäuser meist ziemlich leer, weil sich viel auf dem Fußboden abspielt. Dort wird geschlafen, gebetet, gegessen, zusammen gesessen, herumgelegen, getrunken, geklönt und ziemlich viel Fernsehen geguckt. Während es bei uns höflich ist, den Fernseher ausgeschaltet zu lassen, wenn man Besuch bekommt, ist es hier höflich ihn einzuschalten, um den Gast an dieser Errungenschaft der Technik teilhaben zu lassen und Gesprächspausen gut überbrücken zu können. Die recht luftigen Holzhütten haben natürlich keine Klimaanlage und häufig auch kein fließend Wasser. Ersteres übernimmt der Luftzug, der durch die Ritzen zwischen den Brettern zieht und für angenehme Kühlung sorgt, für zweites gibt es eine Waschecke, in der man sich mit Wasser aus Regentonnen waschen kann und ein Loch im Boden als Toilette, das im Unterschied zu französischen Hockklos natürlich nicht an ein Abwassersystem angeschlossen ist.

Auch die nächste Nacht verbrachten wir auf Isomatten, diesmal in einem Dorf namens Kalehaan im Haus des Bürgermeisters. Deutlicher Unterschied zur letzten Behausung! Die Arbeitsecke schmückt ein PC, das Haus ist gemauert, das Bad gefliest und die Wände gestrichen. Durch den fehlenden Luftzug ist es allerdings gleich gefühlte 20°C wärmer! Das Bad ist ein typisch indonesisches Schöpfbad wie wir es auch in unserer Pension in Banjarbaru im Bad hatten: Eine Ecke des Badezimmers besteht aus einem gemauerten, meist hüfthohen Basin, das randvoll mit Wasser gefüllt ist. Mit einer Schöpfkelle kann man dann nach Lust und Laune Wasser aus dem Basin über sich schöpfen, das über einen Abfluss im Boden abgeleitet wird. Sehr erfrischend!

Nachdem Nico seine letzten Proben am Berg Gunung Bukitbesar in einem Bachbett gesammelt hatte und genug Schwerminerale aus den Flusssanden gewaschen hatte, machten wir uns wieder auf die lange holprige Rückfahrt nach Banjarbaru, wo ich mich für die nächsten Tage erst einmal im Bett verkroch. Keine Sorge, keine Malaria – von der behaupten die Einheimischen hier, dass sie hier gar nicht auftritt. Außerdem lacht sich jeder, der aus Karlshof kommt oder mal in Prerow war, kringelig über die drei Mücken, die hier herumfliegen! Es war wohl vielmehr der Arbeits- und Reisemarathon, der seine Spuren hinterließ, die sich aber mit viel Ruhe und einer ausgiebigen Erkundung des englischsprachigen asiatischen Fernsehprogramms schnell kurieren ließen. Inzwischen bin ich wieder topfit und bereit für neue Schandtaten, die da heißen: Westkalimantan. Auf geht’s zum Äquator!

PS: Nachtrag zum letzten Post: Wie ich hinterher erfuhr, hat der Ketchup nicht etwa seinen Siegeszug aus der Welt in Richtung Indonesien vollzogen, sondern genau anders herum! Ketchup ist höchstwahrscheinlich indonesischen Ursprungs und bezeichnet "Soße", da die Westler den Sojaketchup nicht mochten, wurde er mit Tomaten erweitert!

Sonntag, 29. Juli 2012

Saya tidak bahasa indonesia!

Freitag, 27.7.2012

Ein wildes Mischmasch aus Englisch, Deutsch und Bahasa Indonesia, der hiesigen Landessprache hilft uns in Kombination mit Händen und Füßen hier halbwegs über die Runden zu kommen. Lächeln und nicken kommt im Zweifelsfall immer gut an. Bahasa Indonesia ist die hiesige Landessprache und eigentlich gar nicht so schwer. Sie verfügt über ein lateinisches Alphabet und wird eigentlich genauso gesprochen wie geschrieben – ziemlich deutschähnlich, wenn man von den üblichen Ausspracheausreißern c, g und j absieht. Für Grammatikmuffel ist sie der absolute Traum, weil es keine Zeitformen gibt (es wird einfach die Zeitangabe vor den Satz gesetzt), weder konjugiert noch dekliniert wird und man zur Pluralbildung einfach das Wort zweimal sagt. Ein Mensch wäre somit orang und mehrere Menschen orang orang. Ein indonesisches Wort, das jeder kennt, ist orang utan, übersetzt Waldmensch. Saya tidak bahasa indonesia ist noch viel überlebenswichtiger, auch wenn ahnungsloses Schulterzucken eigentlich das gleiche ausdrückt: Ich spreche kein Bahasa Indonesia (wörtlich: Ich nicht Bahasa Indonesia).

Elementare Indonesischkenntnisse sind auch zum Essen durchaus praktisch. Eins ist grundsätzlich immer dabei: Nasi (Reis). Den gibt es gekocht, gebraten (Nasi goreng), lose oder fermentiert (zerschnittene Reisbällchen) oder gegoren fermentiert. Zu allen Gerichten gehört entweder Fisch oder Fleisch, wenn man hier Vegetarier ist, dann bleibt wohl nur purer Reis übrig, deshalb habe ich mein Vegetarierdasein spontan mal temporär an den Nagel gehängt. Selbst Reis in fünf verschiedenen Variationen würde einem wahrscheinlich schon am zweiten Tag zum Hals heraushängen. Nila goreng ist ein gebratener Süßwasserfisch, ikan laut goreng gebratener Meerwasserfisch. Ente heißt kepek, Hühnchen ayam. Schwein wird aus religiösen Gründen nicht serviert, schließlich ist die Hauptreligion hier der Islam. Dafür landet allerhand anderes auf dem Tisch, was man in Deutschland nicht unbedingt auftischt: Leber, Niere, Hirn, Hühnchendarm, Rinderkniescheiben, Herz und diverses undefinierbares mit Röhrchen. Um solche Sachen habe ich bisher erfolgreich einen großen Bogen gemacht, während Nico todesmutig schon einige davon probiert hat. Nicht immer hat man das komplett unter Kontrolle, besonders in Suppen wie bakso, eine klare Suppe mit Rinderfleischbällchen, wird so einiges verwurstet und auch an Sate-Spießen findet sich vieles, was nichts mit schierem Fleisch zu tun hat. Fast alles andere ist so lecker, dass man sich häufig gerne hineinsetzen würde. Es ist auch längst nicht so scharf wie ich dachte: Fast immergehört zu jedem Gericht eine scharfe Chilisoße, die aber meist separat serviert wird, so dass man es selber in der Hand hat, wie sehr man seinen Reis im Chili baden möchte. Apropos Hand, Außer Suppen und nasi goreng wird hier alles mit den Fingern gegessen. Das ist zuerst gar nicht so einfach, vor allem beim Reis, doch man hat es ziemlich schnell raus, wie man den klebrigen Basmatireis zu kleinen Klümpchen zusammendrückt und ohne allzu große Verluste in den Mund bugsiert. Was auf dem Boden landet, wird sowieso begeistert von den vielen Katzen vernascht, die hier überall herumlaufen und von denen fast alle seltsamerweise einen kürzeren Schwanz haben als unsere europäischen Katzen. Ketchup (kecap, gesprochen wie Ketchup) hat auf seinem Siegeszug durch die Welt auch vor Indonesien nicht halt gemacht, viel lieber als Tomatenketchup wird hier allerdings süßlicher Sojaketchup gegessen, der wie Sojasoße schmeckt und aussieht, nur eben mit ketchupartiger Konsistenz. Allen bösen Gerüchten und Albtraumerzählungen zum Trotz kann man auch an Straßenständen hervorragend essen und dabei zugucken, wie das ausgesuchte Stück Fleisch oder Fisch frisch und direkt vor der eigenen Nase in das siedende Öl geworfen wird. Egal was, ob Garnele, Ente oder Fisch – es landet alles im gleichen Fett, denn hier wird alles frittiert, sogar das Spiegelei! Was so frisch in so heißem Fett gebraten wird kann unmöglich noch irgendwelche bösen Baktis enthalten und so sind wir beide von unerwünschten Auswürfen, sowohl oben- als auch untenrum, verschont geblieben.

Kecap ist eins der vielen Wörter, die anderen Sprachen entspringen und einfach „eingeindonesischt“ wurden, wie zum Beispiel business, das zu bisnis wird. Sobald es an Fremdwörter geht, treten häufig erstaunliche Ähnlichkeiten zu europäischen Sprachen auf, Desinfektionsmittel heißt disinfektan und Produkt produksi. Das liegt wohl nicht nur an der zunehmenden Globalisierung, sondern auch an dem Einfluss der alten Kolonialmacht Holland. Die Niederländer haben den Indonesiern nicht nur Wörter wie knalpot (Auspuff) hinterlassen, sondern auch niederländische Backwaren, wie leckere mit Marmelade gefüllte Milchbrötchen-ähnliche Teigzöpfe, die man herrlich gut zusammen mit einem kopi susu (ziemlich süßer Kaffee mit Dickmilch) zum Frühstück vernaschen kann. Extra Frühstücksspeisen gibt es hier nämlich nicht, das heißt es gibt sonst... richtig geraten, Reis mit irgendwas dazu.

Nach diesem Crashkurs in indonesische Sprach- und Essgewohnheiten ist saya tidak bahasa indonesia vielleicht gar nicht mehr so korrekt. Viele andere südostasiatischen Sprachen sind abgefahrene Tonsprachen, in denen jeder Vokal zig verschiedene vom Sprecher abhängige Tonlagen hat, die dann jeweils eine andere Bedeutung haben und in denen schon die Zeichen an abstrakte Kunst erinnern. In diesem Sinne: Terima kasih (danke) für diese noch halbwegs aufschnappbare Sprache!

Donnerstag, 26. Juli 2012

Dschungelgetummel

Montag, 23.7.2012
„Sungai Pamalian!“, sagte der hagere Bauer am Straßenrand und deutete mit einem ziemlich  zahnlosen Lächeln (ein einzelner oberer Schneidezahn blitzte uns entgegen) auf den Wald hinter seinem Feld. Nico brach in Jubel aus: „Endlich!“

Was war hier los? Mit dem geliehenen Fourwheeldrive-Auto waren wir von Banjarbaru aufgebrochen und bis zu dem Örtchen Aranjo am idyllischen Stausee des Flusses Riam Kanam gefahren. Weil die Straße von hier ziemlich schlecht sein sollte, entschieden wir uns, mit dem Boot auf die andere Seite des Sees zu schippern, um dort an einem Flusszulauf namens Pamali nach der berühmten „Pamali-Brekzie“ zu suchen. Die braucht Nico dringend für sein Projekt, denn angeblich beherbergt sie die ganzen Diamanten, die mitgeführt in den umliegenden Flüssen gefunden werden. Den Stausee gibt es seit 1965 und scheint ein großer Gewinn für die hiesige Bevölkerung zu sein: Viele Fischfarmen liegen in Seitenarmen des Sees versteckt und schlanke Boote sausen über den See um Bewohner von einem Dorf ins andere zu bringen. Teilweise sind die kleinen Frachtboote abenteuerlich beladen mit Motorrädern, Reissäcken, Wasserkanistern und dem ganzen Monatseinkauf plus Großfamilie. Nach etwa zwei Stunden hatten wir die Zielbucht erreicht und hüpften an Land. Mit von der Partie waren neben Nico und mir auch Gimin, unser Fahrer, und Adib, ein Studienkollege von Joko, der Nico während Jokos Abwesenheit etwas helfend unter die Arme greifen will, was leider durch chronische Missverständnisse wegen seiner schlechten Englischkenntnisse erschwert wird. Während Gimin auf das Boot aufpasste, schloss sich Budin (oder so ähnlich), der Bootsführer, spontan uns an und marschierte Machete-schwingend auf Flipflops in einem wahnsinnigen Tempo vorneweg. Schon allein um durch das dichte Gebüsch bis zum nächsten Weg vorzudringen, brauchten wir mindestens eine Stunde. Mehrere Berge und kleine Flüsse mussten über- bzw. durchquert werden und kurzerhand stiegen Nico und ich auf Sandalen um, um nicht mit den Wanderstiefeln um jede Wasserlache herumklettern zu müssen, sondern einfach mittendurch planschen zu können. Meine neuen Trekkingsandalen, pottenhässlich wie Trekkingsandalen nunmal sind, aber eben auch sehr bequem und praktisch, bewährten sich außerordentlich. Adibs Bügelfaltenhose und Glattlederhalbschuhe, Resultat eines weiteren Missverständnisses, erwiesen sich als weniger praktisch.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir den breiten Weg, der uns zur besagten Farm und dem gesuchten Fluss führte. Aber – zu früh gefreut. Die Pamali-Brekzie war nicht zu finden, trotz stundenlangem Waten im Fluss. Dieser war stellenweise so tief, dass das Waten schon fast in Schwimmen überging. Wenigstens war das angenehm kühl bei den tropischen Temperaturen. Die Flüsse verliefen leider irgendwie gar nicht so wie in den Arbeiten beschrieben und trotz langer Suche war die Pamali-Brekzie nicht zu finden. Ziemlich erledigrt machten wir uns auf den Rückweg Richtung Boot und schlugen uns wieder quer durch das Dickicht, in das Budin versuchte mit der Machete eine Schneise zu schlagen. 


 Zu allem Überfluss fing es auch noch an in Strömen zu gießen, so dass wir irgendwann völlig durchnässt, dreckig, mit vom Dornendickicht verursachten Kratzern und der Aussicht, nochmal hierher kommen zu müssen, wieder das Boot erreichten. Eine kleine Badeaktion verwandelte uns wieder ein bisschen in menschliche Wesen und ein heißer Kaffee, auf dem Spirituskocher zubereitet, weckte die Lebensgeister wieder etwas. Gimin, der den ganzen Tag auf dem Boot gechillt hatte, konnte nicht umhin, bei unserem Anblick einen Lachkrampf zu bekommen. Erstaunlicherweise kann einem sogar bei hiesigen Temperaturen etwas kühl werden, wenn man im Fahrtwind auf dem Bootsdach sitzt – das stellte ich dann auf der Rückfahrt fest.

Pamali-Brekzie, Teil 2 folgte am nächsten Tag. Diesmal mit dem Fourwheeldrive-Auto, damit wir uns die Stunde Fußmarsch vom See zum Weg sparen konnten. Diesmal waren Nico, die Machete und ich allein unterwegs und nachdem wir gefühlte hundert kleine Bäche und Flüsse hochgewandert und dutzende Male im Dickicht steckengeblieben waren oder von fiesen Rattandornen festgehalten worden waren, fanden wir sie – die Pamali-Brekzie! Olé-olé, Freudentanz – aber Moment: Sollte dieses Zeugs wirklich die Pamali-Brekzie sein (Nicht-Geologen können gerade mal weghören), das a) wenig wie ein Gestein aussah, b) noch weniger wie eine Brekzie, c) am ehesten ein Konglomerat aber vielleicht auch d) einfach Boden sein könnte, aber dann e) doch irgendwie ein bisschen zu hart dafür war und f) vielleicht wiederum zu weich für ein kretazisches Gestein? Aaaah, Feldkoller!
Die Idee auf direktem Wege zum Auto zurückzulaufen endete in einem Dickicht, in das Nico mit der Machete quasi ein Loch hackte, damit wir da wieder herauskommen. Zurück beim Auto angekommen hatten wir vor allem Durst, Hunger und immer noch keine sichere Antwort darauf, ob das nun die berühmte Pamali-Brekzie war.

Nur ein weiterer Experte konnte hier helfen und so fuhren wir mit dem inzwischen eingetroffenen Joko ein weiteres Mal zum Riam Kanam. Inzwischen kannten wir fast sämtliche getrampelten Kuhpfade der Gegend (ohne die ginge hier gar nichts!) und waren in Windeseile im Zielgebiet – und das sogar ohne Machete! Viele Diskussionen später stand die Meinung fest: Sie musste es einfach sein. Das war das Startsignal für eine mehrstündige Sandwaschaktion mit der Goldwaschpfanne. Leider waren die Diamanten noch schwieriger aufzuspüren als die Brekzie und so mussten wir mit einer Tüte schwarzem Sand vorlieb nehmen, der ohnehin für wissenschaftliche Zwecke der entscheidendere Faktor war. Vielleicht, vielleicht haben wir ja beim nächsten Mal mehr Glück!

Donnerstag, 19. Juli 2012

Oder einfach querfeldbeet

Mittwoch, 18.7.2012
Was für ereignisreiche Tage! Und was für ein wahnsinniges Land, wo einfach alles wächst und gedeiht! Mimosen am Wegesrand, die kleinlaut die Köpfe einziehen und sich vor Schreck zusammenfalten, wenn man sie berührt. Chilis auf Feldern, Auberginen und Erdnusspflanzen ebenso. Die Frucht, die so groß ist wie zwei Menschenköpfe, schmeckt auf den ersten Bissen übrigens süßlich und auf den zweiten Bissen etwas gärig-schimmelig und bei genauerem Überlegen über diesen seltsamen Geschmack kommt man auf den Gedanken von „verwesendes Tier“. Angeblich musste mal ein komplettes Passagierflugzeug evakuiert werden, nachdem das Reisemitbringsel eines Touristen in Form einer solchen Frucht (hier heißt sie Nanka) anfing zu gären...





Zusammen mit Gimin, unserem Fahrer, düsen wir nun täglich in der Umgebung herum, um in geologischen Karten beschriebene Gesteinseinheiten wiederzufinden und damit Nico seine Sande beproben kann. Aufschlüsse sind hier so eine Sache, sie sind meistens unter einer meterdicken Erdschicht begraben und wenn sich doch mal ein Steinchen an die Erdoberfläche wagt, dann ist es von soviel Regen, Sonne und hohen Temperaturen meist schon so verwittert, dass es beim bloßen Hochheben in der Hand zerfällt. Auf der Suche nach irgendwas, was dem Begriff Aufschluss würdig ist, muss meistens erst eine gute Strecke mit dem Auto zurückgelegt und manchmal auch zu Fuß weitergestapft werden. Ein solcher Ausflug führte uns vorgestern durch ein kleines Wäldchen bis an einen Fluss, der sich seinen Weg durch Geröll und Steinblöcke bahnte. Während Nico die Einsatzmöglichkeiten für seinen Geologenhammer erprobte, nahm ich ein erfrischendes Bad, was ich gefühlt nach dem Abstieg eigentlich nochmal gebraucht hätte. Sagte ich die Temperaturen seien erträglich? Nicht wenn man auf die Idee kommt durch Wald auf Berge zu klettern! Wenn ich Wald meine, dann ist das übrigens nicht gleich Regenwald und Dschungel – auch wenn wohl jeder Wald in diesen Gefilden für Europäer immer gleich ziemlich nach Regenwald aussieht. Der Großteil der Insel besteht aus offenem Gelände, das für Agrarwirtschaft genutzt wird und auf dem die in kleinen Dörfern wohnenden Bauern ihre kleinen Felder bewirtschaften. Große Flächen, wo wahrscheinlich früher durchaus Regenwald war, sind mit riesigen Palmölplantagen bepflanzt und um Flüsse herum finden sich häufig sumpfige Wiesen mit Wasserflächen, die von Holzhäuschen auf Stelzen umgeben sind.
Einige dieser Sümpfe, zum Beispiel in der Gegend von Cempaka, werden von Arbeitern auf der Suche nach Gold, Platin und Diamanten aufgegraben und Sand und Erdreich gewaschen und durch Teppiche gesiebt, um das kostbare Material herauszusammeln. An vielen Flüssen findet man rustikal aussehende Waschtrommeln, in denen das Gold gewaschen wird. Die „Minen“ sehen hier also sehr anders aus, als die typischen kreisrunden kilometertiefen Löcher, die man von Bildern aus Südafrika kennt. Von den Arbeitsbedingungen her ist die Arbeit wohl aber genauso hart und uneinträglich, viele hocken den ganzen Tag im warmen, trüben Sumpfwasser und waschen mit hölzernen Goldwaschpfannen die Diamanten – mit Glück finden sie vielleicht mal einen winzigen pro Tag. Trotzdem lachten uns heute zahlreiche zahnlose Gesichter entgegen, als wir durch ein Gewirr von Sumpfinselchen zu ihnen vordrangen, um die nächsten paar Diamanten für Nicos Projekt zu kaufen.




Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ist wirklich enorm, viele haben hier nichts und freuen sich trotzdem, wenn sie unentgeltlich helfen können. Gestern landeten wir auf der verzweifelten Suche nach einer bestimmten Gesteinseinheit bei einer Bauernfamilie, die ein Reisfeld erntete. Die kleine hutzelige Frau zeigte uns total begeistert den Weg zu „batu batu“, also „vielen Steinen“, und so zogen wir unter großem Gelächter der gesamten Familie Schuhe und Strümpfe aus und marschierten durch knietiefes Wasser über ihr Reisfeld zur anderen Seite. Nach der Durchquerung eines kleinen Kautschukwäldchens und vorbei an ein paar Palmölpalmen sahen wir tatsächlich ein paar kleine Steine – leider nicht die, die Nico suchte und auch leider nur als Bröckchen am Boden. Also sind wir mit ziemlich dreckigen Füßen zurückgestapft und durften unter großem Gekicher ausprobieren, wie man auf traditionelle Art mit einem kleinen Messer Reis erntet. Zu unserem Entsetzen wurde auch noch Nanka-Frucht angeboten, die nur Gimin total begeistert aß. Breit lachend setzte sich die Frau ihren traditionellen Reishut auf, damit wir mit ihr ein Foto schießen konnten, bevor wir uns per Auto auf den Weg zurück in die Stadt machten

Ein Motorrad für alle Fälle

Montag, 16.7.2012
Motorräder über Motorräder auf den Straßen, zweirädrig, dreirädrig, vierrädrig. Sie brummen vor und hinter uns, manche überholen uns, manche überholen wir. Wahnsinn, wiviele Menschen auf so ein Gefährt passen, eine ganze Großfamilie, wenn man etwas zusammenrückt. Zwei Erwachsene und 3 Kinder – locker. Ein dutzend Hühner in Drahtkäfigen – kein Problem. Eine Tür, quer vorne im Fußraum liegend – klar, besonders windschnittig. Helme sind in der Minderheit, aber es gibt sie. Ungefähr genauso wie die Anschnallgurte in Autos, die gibt es auch und trotzdem sind sie in der Minderheit. Der Fahrer schnallt sich nur an, damit das nervige Gepiepe in den neueren Autos aufhört.

Ansonsten ist Indonesien eigentlich gar nicht so anders. Die Menschen fahren irgendwie zur Arbeit, sei es per Auto, Motorrad, Fahrrad oder zu Fuß. Wer was auf sich hält, investiert sein Geld in einen dicken Jeep-ähnlichen Geländewagen, der selbst für hiesige Straßenverhältnisse völlig überkandidelt ist. Wie bei uns (zumindest war es mal so) die Kirche das wichtigste Gebäude in jedem Dorf ist, ist es hier die Moschee, und statt automatischem Kirchengeläut ruft viermal täglich der Muezzin vom Tonband zum Gebet. Kinder spielen fangen, Jugendliche treffen sich zum Volleyball, nachdem sie in einer Karawane mit Fahrrädern von der Schule nach Hause gefahren sind.

Und dann... ist es doch so anders. Natürlich viel wärmer, mollige 31°C im Schatten, ein bisschen feuchter auch, so ungefähr wie die Luft in einem Schwimmbad, aber eigentlich gar nicht so schlimm, solange man sich nicht unnötig viel bewegt. Die Sonne geht früh unter, um 19 Uhr ist es stockeduster und zwar ziemlich fix – eigentlich weiß man sowas, aber es überrascht einen dann doch wie früh und schnell das geht. Bananenstauden stehen am Straßenrand und Früchte, locker so groß wie zwei Menschenköpfe, werden an Ständen angeboten. Manche Frauen tragen bunte Kopftücher, aber ganz ohne sich zu verhüllen, eher als modisches Accessoir, reich bestickt und in allen Farben. Je ländlicher die Gegend, desto neugieriger werden wir beäugt von den Dorfbewohnern und ganz besonders den Kindern. Gelacht wird viel, manchmal auch gewunken, willkommen im Land des Lächelns!

Sonntag bin ich nach einem sehr langen Flug über Dubai in Jakarta angekommen und wurde am Flughafen sehr nett von Joko empfangen. Er brachte mich zum Hotel, wo ich mich erstmal etwas ermattet eine Stunde aufs Ohr haute, bevor ich von Joko, Jokos Schwester Renee und ihrem Mann Angus, sowie ihrem Sohn, der Geburtstag hatte, zum Essen ausgeführt wurde. Es ging in ein kleines Restaurant in der Satellitenstadt Tembareng im Großraum Jakarta, wo neben Nasi Goreng auch weitere mir unbekannte Köstlichkeiten aufgetischt wurden, so z.B. Reis-Fisch-Pastete eingewickelt in Bananenblättern als Vorspeise und zum Nachtisch zuckrig frittierte Bananenscheiben, sowas von lecker!

Am nächsten Tag brachte mich Joko frühmorgens durch dichten Verkehr zum Flughafen, von dem aus es nach Banjarmasin auf Borneo ging. Den Großteil der Zeit in Indonesien werde ich hier in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos verbringen. Nachdem das Flugzeug mit einer recht sportlichen Landung in Banjarmasin gelandet war, holte mich Nico ab und wir luden erstmal das Gepäck in unserem süßen kleinen Hotel ab, bevor wir mit Gimin, dem für die Feldarbeit angeheuertem Fahrer und Bekannten von Joko, zum Essen fuhren. Unser Ausgangsort für die Feldarbeit ist die von Banjarmasin etwas weiter landeinwärts gelegene Stadt Banjarbaru. Unser Hotel ist knuffig, aber leider internetlos, weshalb ihr meine Artikel wahrscheinlich auch zukünftig nur mit Verspätung lesen könnt und ich gleich mehrere auf einmal posten werde, wenn ich dann endlich mal Zugang zur virtuellen Welt organisiert habe.

Freitag, 13. Juli 2012

Vorher

Neuseeland war gestern, heute geht es nach Indonesien! Weil mir mein Neuseelandblog soviel Spaß bereitet hat, kam mir die Idee das gleiche mit der Südostasien-Reise zu veranstalten. Hier gibt es also die nächsten Wochen das neueste an Eindrücken und vielleicht auch das eine oder andere Foto.

Der Rucksack ist gepackt, das Zimmer leer und wieder voll, der Balkon von Resten der Abschiedsparty befreit - kurzum, es kann losgehen! Von Hamburg geht es über Dubai nach Jakarta und von dort aus nach einer Nacht Aufenthalt nach Borneo. In Jakarta werde ich von Joko abgeholt, es kann also eigentlich gar nichts mehr schiefgehen. Tausend Dank für eure Glück- und Reisewünsche, ich werd die Zeit in Kiel unglaublich vermissen! Aber ich bin ja nicht aus der Welt und sicherlich häufig zu Besuch, um dann bitte wieder auf einem Balkon fröhlich "In einen Harung jung und stramm" zu singen. Und Nachschub liefert das schöne Liederbuch auch...