Mittwoch, 15. Januar 2014

Stationen einer Reise


Mount Maunganui. Es ist warm und windig, im Schatten des Berges ist in der kleinen Stadt der Sommer ausgebrochen. Geschäft an Geschäft reiht sich an der kleinen Hauptstraße entlang und jeder, der hier längs läuft ist entweder auf dem Weg zum Strand oder kommt da gerade her. Bauchfrei und Hotpants die Mädels, oben ohne und Surfshorts die Jungs. Die Surferlocation der Ostküste zeigt sich von ihrer Schokoseite, von der Ölpest 2011 durch den havarierten Frachter „Rena“ keine Spur.

Blick vom Mount Maunganui auf den Strand

Taupo. Nur noch Wind, weniger Sonne. Am anderen Ende des Sees erheben sich stolz die Vulkane Ruapeho und Ngaurohoe, besser bekannt als der Schicksalsberg aus „Herr der Ringe“. Auf dem Weg nach Turangi raucht es zwischen den Bäumen am Berghang – heiße Quellen, die zum Baden verlocken.

 Heiße Quellen bei Turangi

Mehr Vulkane sind besser als weniger: Im Hintergrund Ngaurohoe und Ruapehu

Whanganui River. Der Tui-Vogel ruft seine charakteristische Melodie, während unsere Paddel rhythmisch in den Fluss stechen. Farnlandschaften soweit das Auge reicht, von bodennah bis palmenhoch. Am Uferrand grasen Ziegen, die da eigentlich nicht hingehören, aber Geschmack an der Wildnis gefunden haben. Die nächste Stromschnelle ist heiß ersehnt, weil man im ruhigen Wasser soviel paddeln muss, um voran zu kommen. Nikola quietscht, wenn das Wasser ins Kanu spritzt, ein aufgeschnittener Plastikcontainer hilft hinterher, das Kanu wieder trockenzulegen. Abends sind die Arme lahm, das mitgeschleppte Anlegebier schmeckt so gut wie nie. Sorte: Tui, passend zum Vogelgezwitscher. In der zweiten Nacht schaffen wir es, dem Schnarcher aus der ersten Nacht zu entkommen – nun wackelt stattdessen das Nachbarzimmer. Pünktlich zu Weihnachten paddeln vier Weihnachtsmützenträger; lachende Gesichter, viel Ho-ho-ho und Merry Christmas empfangen uns, als wir nach drei Tagen am Ziel anlanden.




Wellington/Picton. Uhrzeit verschätzt, auf die Tube gedrückt, Fähre trotzdem noch gekriegt. Wellington verschwindet in der Ferne und wir bereuen, es nicht doch noch angeguckt zu haben. Zu viele Orte, zu wenig Zeit, verflixt. Jubelschrei, als zur rechten ein Wal auftaucht, nach einem fontänenartigen Gruß verschwindet er wieder in der Tiefe.

Die Marlborough Sounds heißen uns willkommen.

West Coast. Die „Wet Coast“ macht ihrem Namen diesmal nicht alle Ehre, es ist warm und sonnig. Kreuz und quer und hoch und runter schlängelt sich die Straße die bergige Küste entlang. Blau-türkises Meer auf der einen, Wald in allen Grüntönen auf der anderen Seite. Riesige Wellen rollen an den weißen Strand und brechen mit dumpfem Grollen. Abends hängen Glühwürmchen in bemoosten Wänden und über uns die Milchstraße.  Die Gletscher haben in den letzten fünf Jahren viel eingebüßt und sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vom Strand kann man sie trotzdem noch sehen, meinen Lieblingscampspot gibt es noch, nur diesmal ist er brechend voll. Am Strand sitzend beobachten wir die Sonne, die langsam feuerrot am Horizont verschwindet und die Gletscher und Berge in rosa Licht taucht, während vor uns Feta-gefüllte Champignons und Steaks auf dem Grill brutzeln. Und die Wellen rollen an den Strand.






Fiordland. Mit „i“, weil sich der erste Entdecker verschrieben hat. Und wer es nicht im Regen gesehen hat, war noch nicht wirklich da. Der dreitägige Kepler-Treck wartet auf uns. Dick bepackt mit Rucksäcken und Regenausrüstung wandern wir los und fühlen uns wie kleine Hobbits auf dem Weg ins große Abenteuer. Nach den ersten anderthalb Stunden fällt auf, dass wir im Chaos des Aufbruchs unsere Abendrationen für drei Tage im Auto gelassen haben. Hunger oder Sporteinlage? Keine Frage, in Wanderschuhen joggen wir zu zweit die Strecke zurück, um sie gleich nochmal zu laufen. Eieiei, guter Start. Oben in der Hütte auf dem Berg stoßen wir mit mühsam heraufgeschlepptem Wein auf das neue Jahr an, das durch den Regen- und Schneesturm, der um die Hütte heult, nicht zu sehen ist.  Bei etwas ruhigerem Wetter wandern wir über Grate und Bergrücken. Faszinierende Wolkenspiele, jedes Loch im Nebel eröffnet völlig ungeahnte Perspektiven. Ein Kea leistet uns Gesellschaft und möchte unseren Reiseproviant stibitzen. Lange stehenbleiben ist aber nicht drin: Wer sich nicht bewegt, dem wird schnell kalt. Zuletzt wird klar, woraus die grauen Wolken bestehen. Einen ganzen letzten langen Tag regnet es auf uns hernieder, während wir versuchen um die stetig größer werdenden Pfützen auf dem Weg zu stiefeln. Erst durch meinen Hut, dann dringt das Wasser durch meine etwas lecken Schuhe. Anschließend ist die Jacke durch, die Regenhose hält am längsten, aber auch nicht ewig. Der Rucksack immerhin bleibt trocken. Schön für ihn, denke ich und überlege, ob ich mich nächstes Mal in ein Ganzkörper-Rucksackcape hüllen sollte. Das Wohnmobil bietet ein vorher ungeahntes Komfortniveau, in unsere Decken gekuschelt fahren wir die kurvige Straße zum Milford Sound. Welcher Sound? Durch Regen und Wolken sieht man ihn gar nicht. Wir schlafen eine Nacht drüber und siehe an: Am nächsten Tag wunderschöne Aussichten bei einer Bootsfahrt.






Southland. Weite Felder und Wiesen, auf denen Schwarzbunte weiden. Kalter Wind, bewölkter Himmel, fast ein bisschen wie zuhause, wenn das Land hier nicht so ewig weit zum Horizont reichen würde. Schöne Buchten mit weißen Stränden laden zum Verweilen. Ab und zu werden sie von Seelöwen und seltenen Gelbaugen-Pinguinen bewohnt, die mit Glück in der Abenddämmerung auf dem Weg zu ihren Nestern zu erspähen sind. Die Otago Peninsula sieht aus als hätte man skandinavische Bootshäuschen an die französische Mittelmeerküste gesetzt. In der Ferne schweben ruhige Schatten in der steifen Brise, Albatrosse mit Flügeln, so lang, dass sie sie kaum bewegen müssen, um in der Luft zu bleiben.

Christchurch. Drei wunderbare Wochen schon vorbei und viel zu schnell verflogen. Die Eltern sind auf dem Weg zum Flughafen, während wir ausprobieren, wie hoch ein Kantstein sein muss, damit ein Autoreifen platzt. Er war hoch genug und wir den Rest des Nachmittags mit Reifenwechsel und dem Kauf eines neuen Reifens beschäftigt. Die Straßen sind nach dem Erdbeben halbwegs geflickt, es rumpelt trotzdem ziemlich. Das Zentrum ist ein Trümmerfeld und still wie eine Geisterstadt. Die Kirche ohne Turm, abgesperrt und halb verfallen, wo ich vor fünf Jahren noch versunken in Weihnachtserinnerungen einer Orgel lauschte. Leere Schaufenster, kein einziges Café, die historischen Gebäude zerfallen und abgesperrt, wo vorher fröhlich schwatzende Leute flanierten. Weite, leere Stellen, wo vorher hohe Häuser thronten. Immerhin: Parkmöglichkeiten überall. Bunt gemalte Graffittis an den Wänden machen Mut und bringen Farbe ins dunkle Grau der leeren Fenster. Die Bar, wo wir zu meinem Abschiedsabend getanzt haben, ist leer, die Fenster mit Holz vernagelt. Aber sie steht noch. In Christchurch lässt man sich nicht so schnell unterkriegen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen