Montag, 13. August 2012

So long, Halong!

… and thanks for all the fish! Aber zuerst einmal: VIETNAM! Ein kommunistisches Land voller geschäftstüchtiger Kapitalisten. Ein Land, in dem man für Geld haben kann, was man will, aber in dem man nicht auf Facebook oder seinen eigenen Blog zugreifen kann, dank Zensur. Ein Land, das weiter nördlich liegt und in dem es trotzdem wärmer ist. Ein Land, in dem der Verkehr gesitteter, aber trotzdem gefährlicher ist als in Indonesien, weil die Vietnamesen zu sturköpfig zum Ausweichen sind. Ein Land, in dem es – falls das überhaupt möglich ist – NOCH mehr Mopeds und Motorräder auf den Straßen gibt. Ein Land mit einer so abgedrehten Sprache, dass man nie weiß, ob die Menschen einen gerade beschimpfen oder was nettes sagen; dass sie weniger lachen macht es auch nicht einfacher.


Vietnam haute uns erstmal ziemlich aus den Socken, weil es so anders war als erwartet. Ich hätte beispielsweise geschätzt, dass es sich in etwa auf dem gleichen Entwicklungslevel wie Indonesien befindet, aber da lag ich komplett daneben. Dank des ausgeprägten Tourismus hat der Atem der großen weiten Welt hier längst Fuß gefasst, in Hanoi wimmelt es vor kleinen Restaurants, Boutiquen und Souvenirläden. Über allem hängt der Geruch aus einem Mischmasch aus Mopedabgasen, Essensgerüchen und Kaffeeduft – hier gibt es eine richtige Cafészene und man kann aus einer Vielzahl von Kaffeesorten auswählen, welche man in der nächsten Tasse verkosten möchte. Langsam verkosten, wohlgemerkt, denn der Kaffee ist so stark, dass man sonst Gefahr läuft seine Geschmacks- und Koffeinnerven zu überreizen.


Die Vietnamesen sind ein äußerst geschäftstüchtiges Völkchen und haben es sehr schnell heraus, dass weiße Touristen schon allein aufgrund von Verständigungsproblemen mehr oder eher weniger freiwillig bereit sind, den doppelten Preis zu zahlen. In den Straßen ist es manchmal schwierig sich in Ruhe irgendetwas anzugucken, weil man sofort von Straßenhändlern abgepasst wird. Nein, ich möchte keinen hölzernen Fächer kaufen, danke ich habe noch eine Flasche Wasser im Rucksack, nein ich möchte wirklich keine Bananen, nein, auch die Orangen nicht, nein, gar kein Obst, wirklich nicht. Ich möchte kein Plastikarmband, nein, auch keinen Regenschirm, auch kein pappiges Zuckergebäck zu unverschämten Preisen, nein danke, der Reishut ist sehr schön, aber ich möchte ihn nicht kaufen, NEIN! Schräg wurde es, als eine Dame mit Reishut und mit zwei an einer Tragestange befestigten Körben ihre Utensilien spontan über Nico hängen wollte – wahrscheinlich um für das hoffentlich folgende Foto Geld fordern zu können. Völlig überrumpelt entzog sich Nico in einer geduckten Fluchtbewegung und war fortan sehr vorsichtig in der Nähe von behüteten und mit Körben beladenen Frauen. Aus einem uns bisher noch unbekannten Grund gibt es auch immer wieder Leute, die unbedingt Nicos Sandalen kleben wollen und sich auf seine Füße stürzen. Das resultiert auf Nicos Seite meist in einem erschreckten Sprung seitwärts und der leicht fassunglosen Frage: „Was haben die bloß immer mit meinen Schuhen, die sehen doch noch gut aus und sind gar nicht kaputt?“

Drei Tage verbrachten wir in Hanoi, der quirligen Großstadt mit engen Gassen, Straßenrestaurants, Häusern im romantisch-französischen Stil über mehrere Etagen und mit Bäumen gesäumten Straßen. Wir promenierten um den See Hoan Kiem und besichtigten den Ngoc Son Tempel und die Ein-Stelzen-Pagode, winkten dem in der Mitte des Sees thronenden Wahrzeichen Hanois zu, dem Schildkrötenturm Thap Rua (siehe Bild unten) und lauschten frühstückenderweise der über Lautsprecher nach draußen übertragenen Messe an der Sankt-Joseph-Kathedrale. Im ältesten Tempel der Stadt, dem Bach Ma Tempel, zogen wir uns fast eine Räucherstäbchenvergiftung zu und staunten darüber, was hier alles auf den Altären der Gottheiten gestapelt wird: Frische Blumen und Obst, Porzellanfiguren ohne Ende, und interessanterweise auch Getränkedosen. Die roten Cocacola-Dosen passen farblich meist hervorragend zur überwiegend roten Altargestaltung, während grüne Heinekendosen einen hübschen Kontrast bilden. Welche Gottheit kann da schon widerstehen?


Ebenfalls einen Besuch statteten wir Ho Chi Minh ab, „Onkel Ho“ wie ihn die Vietnamesen nennen. Der arme liegt seit Jahrzehnten in einem gläsernen Sarg im Mausoleum, obwohl er sich zu Lebzeiten ausdrücklich eine Feuerbestattung gewünscht hatte. Stattdessen begafft ihn jetzt die ganze Welt und für zwei Monate im Jahr wird er nach Russland geschickt, damit sie ihn dort wieder etwas auffrischen. Noch viel beeindruckender als der blasse Ho Chi Minh in seiner Glaskiste war aber das ganze Drumherum: Ein kolossaler Bau, Soldaten in weißen Uniformen, für die es die größte Ehre ist, den ganzen Tag strammstehenderweise auf ihren Landesvater aufpassen zu dürfen, die brav in Zweierreihen am Sarg entlangprozessierende Menschenschlange. Man darf im Mausoleum keine Taschen mitnehmen, keine Tops oder kurzen Hosen tragen, nicht stehen bleiben, nicht reden, nicht fotografieren, nicht die Hände in die Hosentaschen stecken, nicht überholen, nicht trödeln und auch nicht die Hände hinterm Rücken verschränken (dann gibt es von den Herren in weiß einen Klaps auf den Unterarm). Man darf also eigentlich kaum etwas außer im richtigen Tempo gehen und gucken, aber dafür ist man ja auch hier.

Von Hanoi aus unternahmen wir einen dreitägigen Ausflug in die Halong Bay – etwas, was anscheinend zu jedem Vietnamtrip dazugehört, wenn man die schiere Menge der Touristen dort betrachtet. Ein Reisebus nach dem nächsten spuckt mehr und mehr Touristen aus, die im Hafen auf viele ziemlich identisch aussehende und leicht angeranzte Dschunken klettern, für die sie erstaunlich unterschiedliche Preise gezahlt haben. Aber egal wie sehr einen das touristische Tohuwabohu nervt – sobald das Boot ablegt und man über blaues Wasser zwischen den steil aufragenden Bergkuppen durchgleitet, die wie tausend Zuckerhüte aus dem Meer aufragen, ist alles vergessen. Dieser Ort ist ganz zu Recht Unesco Weltnaturerbe. Zur Tour gehörte auch die Besichtigung einer riesigen und sehr eindruckvollen Höhle, die noch relativ naturbelassen und geschickt hinterleuchtet war, sowie Kayak fahren in der Bucht, schwimmen vom Schiff aus und Übernachtung und Essen (mit ziemlich viel Fisch und Meeresfrüchten!) an Bord. Da die meisten nur ein oder zwei Tage bleiben, konnten wir am zweiten Tag in etwas untouristischere Gefilde der Halong Bucht vordringen, was das ganze noch schöner machte. Eine nette Reisetruppe tat ihr übriges und da einen die Vietnamesen ständig gleich verheiraten wollen, durften wir die zweite Nacht in der reichlich schicken Honeymoon-Suite verbringen. 



Und um das Kontrastprogramm zu vervollständigen ging es heute per Nachtzug in die Berge, in die Tonkinesischen Alpen zu einem Ort namens Sapa inmitten lauter Reisterrassen – auch ziemlich touristisch, aber hej, in Indonesien waren wir so ab vom Schuss, dass wir hier mal ein bisschen mainstream sein dürfen...

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